Unser Urlaub im schönen Norfolk liegt jetzt schon einige Wochen zurück. Aber die Bilder wirken immer noch nach. Neben den Stunden am Meer, sind meine persönlichen Highlights vor allem die Besuche in den unterschiedlichen Walled Garden.
Walled Garden sind die ehemaligen Obst- und Gemüsegärten der Herrenhäuser. Auch Schnittblumen und wärmeliebende Zierpflanzen wurden hier angebaut. Damit die Herrenhäuser immer mit reichen Blumen Arrangements versorgt waren. Die Schau Stauden im Park durften hierfür nicht verwendet werden.
Vielseitiger Nutzgarten
In den Walled Garen wurde oft bis Mitte des 20. Jahrhunderts ein Großteil der Lebensmitteln für die Gutsherren und ihre Gäste erwirtschaftet. Umrahmt von hohen Mauer und dadurch geschützt vor dem oft strengen Wind an den Küsten, konnte hier auch Mediteranes Obst und Gemüse wachsen. Eben Selbstversorger in Reinkultur und das mit organischer Arbeitsweise.
Wie ertragreich diese Gärten waren, kann heute noch in den alten Haushaltsbüchern nachgelesen werden. Darin ist jedes Marmeladenglas, jeder geerntete Kohlkopf aufgelistet und auch, wie sie haltbar gemacht wurden. Spannend zu lesen.
Walled Garden im Dornröschenschlaf
Nach dem zweiten Weltkrieg begann der Niedergang der meisten Herrenhäuser. Viele gingen an den National Trust von UK, da die Besitzer den Unterhalt nicht mehr finanzieren konnten. Der National Trust sorgt dafür, dass die Gebäuden erhalten und für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben.
Da das Geld in der Regel nicht für Alles reicht, verfielen die Walled Garden für Jahrzehnte in einen tiefen Dornröschenschlaf und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Auf den Bilder vor der Neugestaltung der Gärten sieht man Wände von Dornenhecken und anderem fiesen Unkraut. Dahinter versteckte sich keine schlafende Prinzessin, zumindest keine menschliche. Schier undurchdringbar, wurden diese Gärten oft mehr als ein halbes Jahrhundert nicht beachtet.
Rückbesinnung
Anfang der 2010er kam dann die Trendwende für diese Gärten: Der Anbau von Gemüse wurde wieder Salonfähig. Die Finanzkrise am Ende der 0er Jahre zeigte den Menschen, dass eine Rückbesinnung auf alte Werte Sinn macht. Auch und gerade bei der Lebensmittelsicherheit. Das gestiegene Interesse am Gemüseanbau der Besucher ließ auch die Walled Garden wieder auferstehen. Verstärkt wurde der Trend durch den drohenden Brexit, der – obwohl gewollt – viele Existenzängste in UK schürte.
Blickling Hall
Der Walled Garden von Blickling Hall war der Erste, welche ich in 2016 erkunden durfte. Zu diesem Zeitpunkt war er gerade erst wieder die 2. Saison in Nutzung. Alles noch etwas karg. Doch er beeindruckte bereits durch die unvergleichliche Gemüsevielfalt und seiner schieren Größe.
Wie viele andere Herrenhäuser gehört auch Blickling Hall zum National Trust. Mehr Infos und ein Spaziergang durch Park und Walled Garden könnt ihr im Beitrag „Die Gärten von Blickling Hall“ nachlesen.
Fellbrigg Hall
Fellbrigg Hall, ein Manor im Nordosten von Norfolk, ist ebenfalls im Besitz des National Trust. Der Walled Garden in diesem Manor ist mit Abstand der Schönste, den ich jemals gesehen habe. Dabei ist zu erwähnen, dass dieser Walled Garden eine Neuanlage ist. Der Garten lag wie so viele andere brach und wurde von Landschaftsgärtner angelegt. Ob dieser Garten auch zuvor so ausgesehen hat, darf bezweifelt werden. Doch diese Anlage ist ein absoluter Traum, mit verschiedenen Bereichen. Wunderschönen Blumen und eine Schar von Hühner, die in bunten Hühnerhäuschen mitten im Walled Garden wohnen.
Diesen Traum mit Worten zu beschreiben ist ein Ding der Unmöglichkeit. Hingehen, anschauen und dankbar dafür sein, dass es solche Orte noch oder besser gesagt wieder, gibt.
Wiveton Hall, Norfolk near Cley next the Sea
Doch es gibt auch seltene Ausnahmen. Es gibt noch Herrenhäuser in privater Hand, deren Besitzer die wunderschönen Gärten über all die Jahre durchgängig betrieben und erhalten haben.
In all den Jahren, in denen wir Nofolk bisher besucht haben, habe ich bisher allerdings nur ein Walled Garden dieser Art gefunden. Es ist der Walled Garden von Wiveton Hall. Wiveton Hall ist eher eine Farm, denn ein Manor und war immer in Privatbesitz.
Die Familie des heutigen Besitzers kaufte Haus und Hof Ende der 1950er. Im Urlaub 2018 konnte ich eine Führung mit dem jetzigen Besitzer durch die Gärten machen. Spannend zu hören, wie seine Kindheit in dieser tollen Umgebung war. Er fütterte uns auch mit der Geschichte des Hauses, welches direkt an die Salzmarsche der Nordsee grenzt. Aber auch mit der jetzigen Situation in der Landwirtschaft von England, welche sich mit dem drohenden Brexit auseinander setzen muss.
Die gigantischen Maulbeerbäume haben mich diesmal am meisten beeindruckt. Ich wusste gar nicht, wie groß die werden können. Auf dem Titelbild ist der Maulbeerbaum hinter dem Gewächshaus zu sehen. Übervoll mit den länglichen, dunkelroten Früchten.
Generell ist an den Bäumen gut zu erkennen, dass dieser Garten seit Jahrhunderten durchgängig gepflegt und geschnitten wurde. Hier finden sich alte Obstbäume, die schon längst im Methusalem Alter sind und doch tragen sie noch immer viele, süße Früchte. In den anderen Gärten finden sich keine alten Bäume mehr. Hier musste Alles wieder mühsam neu gepflanzt werden.
Holkam Hall
Das riesige Anwesen war zwar auch immer in Familienbesitz. Aber die schiere Größe dieses inzwischen wieder erblühtem Anwesen hat ihre Opfer gefordert. Lange Zeit hat dazu auch der größte der mir bekannten Walled Garden gehört. Erst 2012 konnte mit einer Schar von freiwilligen Helfern dem Dornengestrüpp Einhalt geboten werden. Der Walled Garden von Holkam Hall erwachte wieder zum Leben.
Hier habe ich auch zum ersten Mal im Osten von England ein Ananas Glashaus entdeckt. Darin wurde Mittels Pferdemist und einem ausgeklügeltem Belüftungssystem der Anbau von Ananas in diesen Gefilden möglich gemacht. 2017 war das Ananashaus noch in recht maroden Zustand, der Aufbau des Gartens noch nicht vollständig geschafft. Doch die Pracht war schon deutlich sichtbar. Im gleichen Jahr habe ich dort auch meine Lieblingsrose entdeckt, die „For your eyes only“.
Diese Jahr (2018) habe ich zwei weitere tolle Pflanzen entdeckt. Zum einen eine rote Fetthenne und zum anderen eine Perlegonie, welche ich zuerst für eine Geranie gehalten habe. Von Beiden habe ich Stecklinge bekommen. Eine junge Gärtnerin, welche ich mit vielen Fragen geplagt hatte, hat sie mir dankenswerter Weise überlassen. Das waren die schönsten Mitbringsel aus diesem Urlaub. Wenn auch nicht nur die Einzigen. In jedem Garten habe ich Samen um Samen mitgenommen. Aber das ist ein Thema für einen anderen Beitrag. (Nachtrag: Die rote Fetthenne ich sehr gut angewachsen in meinem Garten, die Perlegonie hat die Auspflanzung leider nicht überstanden und ist eingegangen).
Mit Sicherheit kann ich sagen, dass dieser Walled Garden eine echte Inspiration ist. Jedes Mal, wenn ich ich ihn besuche, komme ich mit neuen Pflanzen/Stecklinge/Wurzeln/Samen oder zumindest einer Einkaufsliste nach Hause.
Hampton Court
Zuletzt der Walled Garten auf dem Gelände von Hampton Court bei Esher / London. Das Schloß war im Laufe der Jahrhunderte für mehrere Könige der Hauptsitz. Dementsprechend prächtig, gut gepflegt und viel besucht ist die riesige Anlage. Auch die Gärten gliedern sich in viele Bereiche. Darunter der Jagdwald, ein riesieges Gelände auf der gegenüber liegenden Seite der Themse. Das Highlight ist der Ziergarten hinter dem Schloss. Hier befindet sich zum Beispiel der größten Weinstock der Welt, ein wunderschöner Senkgarten.
In den letzten Jahren kam in einer hinteren Ecke der Parkanlage ein fantasievoller Kinderspielplatz hinzu, direkt neben dem alten Walled Garten. Da solch eine Schönheit nicht neben einem verfallenem Walled Garden existieren kann, wurde auch der wieder in Betrieb genommen. Allerdings wirkt hier alles ein wenig künstlich und hat bei weitem nicht den Charme der anderen Walled Garden. Man sieht, dass es hier mehr um den schönen Schein geht und die Gärtner*innen nicht die Passion hinen legen, wie in den anderen Gärten.
Aber das Gemüse hat schon eine beeindruckende Größe und zumindest der Anbau von Melonen habe ich in keinem anderen Garten gesehen. Also kann man auch hier etwas lernen.