Die Chelsea Flower Show habe ich selbst noch nie besucht. Doch wenn wir in England sind, verfolge ich aufmerksam die Sendungen rund um diese berühmte Blumenshow. In Chelsea werden Garten Trends gesetzt bzw. gezeigt. Bunt, spannend und lehrreich. Doch die Worte „Nachhaltig“ und „Natürlich“ kommen mir bei der Beschreibung dieser Blumenshow nicht so leicht über die Lippen (oder Finger). Bisher..
Aus Grün wird Bunt
Denn es ändert sich was im Reich der grünen Gärten. Nicht erst seit diesem Jahr ist „Rewilding“ das „Hot Topic“ auch in den Show Gärten von Great Britain. Überall wird von Sustainability (Nachhaltigkeit), Bio Diversity und Wildflower Meadow (Wildblumenwiese) gesprochen. Es werden Gärten aufgebaut und gezeigt, in denen Unkräuter wachsen/ Bauschutt verarbeitet/ mit ganz hohen moralischen Ansprüchen gearbeitet wird.
Bio Diversität ist posh
Diesen Ansatz finde ich im Prinzip sehr gut. Doch man merkt, wie sehr die „poshy“ Gartenwelt mit diesem Tred kämpft. Oder wie der Engländer sagt „struggled“. Oft wirkt es sehr bemüht, wenn die Kommentatoren diese Gärten erklären. Ist so ein Garten wirklich schön? Braucht es den Sauzahn im Grün? Etwas schmallieppig wird die Schönheit der ungeliebten gelben Blüten gepriesen. Wie soll der Müll, der Abraum hier interpretiert werden? „Egal, es muss sein…“ – das scheint sich in den Köpfen abzuspielen.
Veränderungen
Mir kommen diese halbherzigen Bemühungen etwas verlogen vor. Ist es doch eine Zeitenwende, welche sich schon lange ankündigt, schon viel länger nötig ist – sich aber jetzt erst zeigt. Bis zur allgemeinen Akzeptanz oder gar Normalität wird es wohl noch dauern.
Nun, ich bin bereits Dankbar, dass immerhin der Notwendigkeit Rechnung getragen wird. Hoffentlich kommt dieser Trend auch bald bei uns in den Deutschen (Schreber)Gärten an.
Waterhouse Woodland Garden
Zum ersten Mal bewußt wahrgenommen habe ich das Konzept des Rewilding im Park von Hampton Court. In Mitten des riesigen Parks liegt der „Waterhouse Woodland Garden“. Dieser Bereich ist komplett umzäunt, um das Wild draußen zu halten. Hier findet sich die verträumte Parklandschaft, für welche die englischen Parks und Gärten berühmt sind. Wirklich schön.
Bei unserem letzten Besuch waren dann mehrere Bereiche abgesperrt. Der Boden war dort noch nahezu nackt. Nur kleine, zarte Pflänzchen waren zu sehen. Dazu der Hinweis, dass hier Wildblumenwiesen wachsen sollen.
Spannend zu sehen, wie neben den Bereichen – welche bisher als die natürliche Schönheit einer Parkanlage galt – auf einmal wirklich Natur wachsen darf. Ich bin gespannt, wie es beim nächsten Besuch hier aussieht.
Rewilding im Privaten
Wie „Rewilding“ im eigenen Hausgarten aussehen kann, durfte ich bei einem Tag der offenen Gärten in „Field Dalling“, Norfolk sehen. Hinter einem kleinen, weißen Cottage findet sich ein wunderschöner Garten. Die Fußwege sind einfach nur gemähte Wiese. Zwischen wohlduftenden Rosenstöcke wachsen Wiesenblumen, Gräser und Kräuter. Oft über einen Meter hoch. So schmiegen sich lila Rosen an die Weiße Schafgarbe.
Dort wachsen zwischen verschiedene Akelei Sorten die wärmeliebenderen Küchenkräuter. Zistrose (Cistus purpureus) und Säckelblume (Ceanothus) geben ein knalligbuntes Stelldichein. Auch sie sind umrahmt von Wiesenblumen und Gräsern.
Deutlich ist zu sehen, dass die Besitzerin immer nur den Stupps in eine Richtung gibt. Den großen Rest macht die Natur.
Dieser Garten ist wirklich eine Inspiration für mich und für mich das Zeichen, dass ich auf dem für mich richtigen Weg bin.
Mein Rewilding
Rewilding ist ein Trend, welchen ich in meinem Garten schon lange lebe. Wenn auch eher unbewusst. Durch „Nichtstun“ und die „Natur einfach mache lasse“ ergab sich neben Beeten mindestens genauso schöne Ecken im Garten.
Doch jetzt nimmt das Rewilding in meinem Garten aber richtig viel Raum ein – notgedrungen. Denn seit drei Monaten laborierte ich an einem gebrochenen Fuß (Mai 2023). Ich konnte nicht in den Garten, die Beete vorbereiten, etwas anpflanzen oder aussäen. Seit Wochen sitze ich am Fenster und schaue hinaus in meinen geliebten Garten und werde immer trauriger.
Immerhin gab es ganz viele Regentage. Tage, in denen ich eh nicht viel hätte machen konnte und die der Natur bei uns so richtig gut getan haben. So grün-lebendig-bunt war es schon seit Jahren nicht mehr im Garten. Deutlich wird sichtbar, der Regen hat gefehlt.
Natur ohne Mensch
Ganze 8 Wochen war ich nicht im Garten. Heute (1. Mai 2023) habe ich mich endlich rausgewagt. Ich bin überwältigt. Vom saftigen Grün, den vielen Blüten. Alles wuchert und steht voll im Saft. Doch ich bin auch echt überfordert. Selbst mich stresst es, dass so Vieles liegen geblieben ist. Denn auch die gesamten Gemüsebeete sind überwuchert mit blühendem Unkraut. Na, es scheint, dass hier meine persönliche Grenze beim Rewilding erreicht ist.
Trotzdem: Es war wichtig, dass ich mit meiner Arbeit der letzten Jahre eine gute Grundlage im Garten geschaffen habe. All die Pflanzen, Bäume, Sträucher und Blumen, die ich hier gepflanzt und angesät habe, lassen den Garten erblühen. Wenn ich nun in Ruhe alles genau zu betrachte, sehe ich die Schönheit. Was „Nichtstun“ hervor bringen kann, war mir schon immer klar. Doch der Garten zeigt mir gerade in seiner ganzen Pracht, wie gut es der Natur tutn, wenn mal der Mensch seine Finger von ihr lässt. Wahnsinn!
Nur die Gemüsebeete müssen wieder etwas ordentlicher werden. Zumindest ein bisschen.