Das Kleine am Kleingartenleben

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Darf man sich in Zeiten von Corona oder Covid-19 noch über irgend etwas aufregen? Sollte man nicht lieber froh sein, dass man noch gesund ist? Wohl schon, aber ich bin Mensch, mich betrifft das hier persönlich. Deshalb rege ich mich auf, deshalb kann ich nicht mehr den Mund halten: Alte Männer wollen mir meinen Garten weg nehmen, weil ich es gewagt habe meinen eigenen gärtnerischen Weg zu gehen.

Es geht um meinen Kleingarten, den ich gepachtet habe. Ich liebe meinen Kleingarten, aber er gehört mir nicht wirklich und genau das ist mein großes Problem. Er gehört im Grunde genommen der Gemeinde in der ich wohne und ist im Verbund einer Kleingartenanlage eingegliedert. Dort haben eine Menge Menschen – besser gesagt alte Männer – ihrer Meinung nach das Sagen. Dabei geht es ihnen nicht ums Gärtnern, aber um was es ihnen wirklich geht, kann ich nur spekulieren. Ich spekuliere mal, da ist ganz viel Frust Kompensation von Versagern, welche ihre Allmachtsphantasien ausleben müssen. Sicher ist, es bedeutet seit Jahren viel Ärger für mich.

Doch der Reihe nach. Vor 8 Jahren habe ich die Kleingartenparzelle übernommen und stürzte ich mich voller Enthusiasmus in die Arbeit. Warnungen, dass es sich hier um einen Garten in einer Kleingartenanlage handelt, schoss ich in den Wind. „Dort wollen sie dir nur sagen, wie du was zu machen hast.“ „Da sind doch nur Vereinsmeirer, die sonst nicht reißen im Leben.“ Tausende solcher Sprüche, die man schon gehört hat, ich wollte sie alle nicht glauben. Bei dem Hinweis, ich solle doch besser nicht damit hausieren, das ich Kleingärtnerin bin, war ich richtig beleidigt. Ich fand „unsere“ Gartenanlage als etwas Besonderes, weniger spießig, fast schon Alternativ, alleine durch ihre besondere Lage. Direkt am Waldrand, nur umgeben von Wiesen. Die Gärten waren fast alle etwas wilder und entsprachen nicht wirklich dem, was ich einen Garten der „Blaukorngeneration“ nenne. Ein Blaukorn Garten heißt: Viel Rasen ohne „Unkraut“, mit abgestochenen Kanten, viele Betonsteine, die Blühpflanzen – wenn es welche gibt – ohne echten Nährwert für Insekten und eben mineralisches Blaukorn als Dünger, eben ihrem Erkennungszeichen.

Was ich nicht sehen wollte: Das Kleingeistige ist fest verankert in dem Wesen eines Kleingärtners. Angepasst an die Meinung der – männlichen – Mehrheit, lässt der Gruppenzwang alles konform laufen. Wehe, wenn Frau sich nicht eingliedern will.
Alles lief gut, bis ich es wagte im Vorstand als Schriftführerin mit anzupacken. Hier begegneten mir solche Sprüche wie: „Die Schriftführerin (die Frau) hat kein Stimmrecht im Vorstand“ oder „Frauen sollten generell keine Gärten verpachtet werden, weil sie damit nicht klar kommen“ um nur zwei zu nennen. Nun habe ich die Unart eine eigene Meinung zu haben und diese auch kund zu tun bzw. zu vertreten. Erster schwerer Fehler. Mit dem zweiten großen Fehler versucht man nun inzwischen seit Jahren mich aus der Kleingartenanlage hinaus zu mobben: Mein wilder Waldgarten. Er ist an vielen Ecken voll mit Wildkräutern – Unkraut -, ich lege Hügelbeete an oder Hochbeete ohne Innenfolie, ich versuche mich an Gemüsesorten wie Cardy, Baumspinat, Erdbeerspinat und Süßlupinen. Ich wende teilweise Techniken eines Permagarten an. Ich lasse beispielsweise den Kohl bis zur nächsten Anpflanzung im Beet stehen, damit die Insekten sich an den frühen Blüten so richtig satt essen können. Und ich habe einen Totholzhaufen, an dem sich der schon lange schwelende Streit überhaupt entzündet hat.

Sprachlos macht mich, mit welcher absolutistischen Selbstgerechtigkeit ein Vorstand einen aburteilt, verunglimpft, lästert, Lügen verbreitet, Streit und Zwietracht sät. Gäbe es die Hexenverbrennung noch, wäre ich bereits längst auf dem Scheiterhaufen gelandet. Es ist krank, wie sehr sich manche Menschen verrennen können. Und klar, Mann hält zusammen.

Mir wird nun vorgeworfen, ich kümmere mich nicht um den Kleingarten, nutze ihn nicht entsprechend der Vorgegebenen Bedingung und vieles mehr. Den inzwischen unzähligen Auflistungen, welche mir von Amts wegen zugeschickt wurden entnehme ich vor allem zwei Dinge: Das sind keine Gärtner, welche diese Briefe verfasst haben. Denn hätten sie sich einmal wirklich mit dem, was ich im Garten mache auseinander gesetzt, wäre ihnen sofort aufgefallen, dass hier sehr wohl viel Arbeit und Zeit drin steckt. Vom Herzblut will ich erst gar nicht sprechen.

Zudem geht es schon lange nicht mehr – sollte es jemals darum gegangen sein – um das Gärtnerische. Es geht darum nicht zuzulassen, dass eine Frau etwas verändert in dieser kleinen, festbetonierten Gartenwelt dieser Menschen. Ja, es ist bitter für mich, die Erkenntnis, dass ich als Frau diskriminiert werde und alleine deswegen einen schwereren Stand in der Kleingartenwelt habe. Aber es macht mich wütend, dass man mir unterstellt, ich sei keine Gärtnerin und mich nicht um meinen Garten kümmere. Vor acht Jahren, am Beginn meiner Gartenreise war ich es sicherlich noch sehr unerfahren. Heute weiß ich, dass ich viel mehr Gartenwissen habe als diejenigen, welche die Vorschriften zu ihren Gunsten und aus purem Selbstnutz uminterpretieren. Witzig finde ich, dass sie die „Gesetze“ auf welche sie sich beziehen noch nicht einmal wirklich kennen.

Ja, die Klischees über die kleingeistigen Kleingärtner, welche sich zusammen rotten um die „Anderen“  zu vertreiben, sie stimmen leider alle.
Sei es die Ökogärtner, Frauen, Ausländer oder junge Menschen mit eigenen Idee und lauten Radios. Nicht nur einmal habe ich von dem Vorstand in meiner Zeit als Schriftführerin gehört: „Die … kommen hier nicht rein!“. Heute frage ich mich, wie ich es überhaupt hinein geschafft habe. Doch so sehr sie es auch versuchen, noch bin ich nicht draußen. Denn es liegt nicht in meiner Natur diese Art von Diskriminierung einfach wortlos hinzunehmen.

Auch wenn das Ende nicht so sein wird, wie ich es mir erhoffe – in Ruhe meinen Kleingarten zu bewirtschaften nach meinem Güsto, innerhalb der offiziellen Regeln der Kleingartenverordnung wohlgemerkt: Die Kleingärtner werden am Ende auch etwas gelernt haben. Und sei es nur, dass die Zeiten, in der man jede Frau / Permagärtnerin Mundtot machen kann ohne Gegenwehr, existieren nicht mehr.

Eines sei noch gesagt: Ich liebe meinen Garten!